Hermann Müllers schwerster Gang

Der Versailler Vertrag als Bürde der Republik

Mit der Unterzeichnung des 'Diktatfriedens' macht sich der aus Baden stammende Reichsaußenminister zur Zielscheibe ultrarechter Kreise.

Im Mai 1919 haben die Siegermächte des Ersten Weltkriegs ihre harten Friedensbedingungen bekanntgemacht – und damit in Deutschland einen Sturm der Entrüstung entfacht. Der amtierende Regierungschef Philipp Scheidemann ist sogar aus Protest von seinem Amt zurückgetreten. In der nun neu gebildeten Reichsregierung übernimmt der in Mannheim geborene und aufgewachsene Sozialdemokrat Hermann Müller das Amt des Außenministers. Damit kommt ihm im neuen Kabinett die undankbarste und gefährlichste Rolle zu: Weil Frankreich mit einem Einmarsch in Deutschland droht, wenn Deutschland die Friedensbedingungen nicht annimmt, gibt es zur Unterzeichnung des von den Siegermächten auferlegten ‚Diktatfriedens‘ letztlich keine Alternative. Ende Juni 1919 reist Müller deshalb nach Frankreich, um im Spiegelsaal des Versailler Schlosses seine Unterschrift unter den Friedensvertrag zu setzen – für ihn der schwerste Gang seines Lebens. Müller weiß genau, dass er sich und seiner Partei mit der Unterzeichnung eine schwere Last aufbürdet. Denn genau jene Nationalisten, die den Krieg seinerzeit herbeigewünscht und frenetisch bejubelt haben, suchen nun die Schuld für Deutschlands Niederlage sowie für den Versailler ‚Schandfrieden‘ den Demokraten in die Schuhe zu schieben. (ah)